Architekturpreis geht nach Kleve: Erstens kommt es anders…

Flexibel geplanter Neubau „wächst“ schneller als geplant
Kleve (LBS). Ein junges Ehepaar wünscht sich ein „mitwachsendes“ Einfamilienhauses. Sie möchten Kinder, aber eben noch nicht jetzt. Das Haus wollen sie aber schon sofort bauen. Architekt André Lemmens plant deshalb eine Immobilie, die im ersten Schritt nur im Erdgeschoss ausgebaut werden soll. Alle notwendigen Anschlüsse, die Statik und auch die Dachfenster für die späteren Räume werden schon mitgedacht und ausgeführt. Das Dachgeschoss soll dann später ausgebaut werden – für die Kinder. Aber oft kommt anders als geplant: Kurz hintereinander werden die Töchter Gyda und Ilvy geboren – Gyda zum Ende der Bauphase und Ilvy kurz nach dem Einzug. Mit den beiden Kindern im Haus der Bauherren Zampietro-Thyssen wird die Raumreserve im Dachboden früher als gedacht aktiviert. So viel Flexibilität zeichnet sich aus: Das Neubauprojekt in Kleve gewinnt beim diesjährigen Architekturwettbewerb „Das Goldene Haus“ der Bau- und Wohnzeitschrift Das Haus und LBS einen Sonderpreis in Höhe von 2.000 Euro.
„Wir haben unseren Architekten angerufen und sind in die Planungen für den Ausbau eben sofort eingestiegen“, sagt Bauherrin Pia Zempietro und lacht. „Aufgrund der schon mitgedachten Erweiterungsmöglichkeit war die Umplanung nicht wirklich ein Problem“, ergänzt Architekt André Lemmens.
Das neu geplante Haus nimmt die Gebäudeform der Nachbarn auf, um sich gut in das gewachsene Baugebiet einzufügen. Im Grundriss gibt es ein paar clevere Besonderheiten. Der Eingang, samt Garderobe und die eher „dienenden Räume“ wie Badezimmer, Technik und Hauswirtschaftsraum reihen sich Richtung Norden auf. Hier zeigt sich die Fassade recht geschlossen.
Damit die südlichen Nachbarn nicht in die Wohnräume der Familie blicken können, hat sich Architekt André Lemmens einen Kniff ausgedacht. Auch die Südfassade ist, bis auf einen eingeschobenen Lichthof, weitestgehend geschlossen. Auf den Giebelseiten springen die südlich angeordneten Räume zurück und so ergeben sich überdachte Terrassen. Zu den Terrassen gibt es große, bodentiefe Fenster, die einen fließenden Übergang von innen nach außen ermöglichen. „Die Terrassen an Küche und Wohnzimmer werden so zum bewohnbaren Außenraum“, sagt Architekt und Jurymitglied Gunnar Brand aus der Das Haus-Redaktion. Durch seine geschützte Lage lässt sich dieser Raum schon recht bald im Frühjahr nutzen und auch im Herbst bieten diese Räume noch lange die Möglichkeit draußen zu sitzen.
Der Lichthof versorgt im Obergeschoss die angrenzenden Räume und den Flur mit viel Tageslicht, das so auch bis ins Erdgeschoss strahlt. „Eine clevere Grundrisslösung, die gleichzeitig die Privatsphäre sicherstellt und dennoch die Räume mit sehr viel Tageslicht versorgt“, freut sich Bauherr Martin Thyssen.
Um kostengünstig zu bauen, verzichtet die Familie Zampietro-Thyssen auf einen Keller sowie teure Materialien und Produkte. An dieser Stelle helfen die guten Kontakte, die Architekt Lemmens zu Handwerkern hat und das Wissen, wie welches Material optimal eingesetzt werden kann. „Die Wohnqualität hat darunter in keiner Weise gelitten“, so André Lemmens.
Und auch die gewünschte Flexibilität hat ihre Vorteile. Die junge Familie baut ein großes Familienbett auf, das freie Zimmer unter dem First dient während der corona-bedingten Einschränkungen als großzügige Spielfläche für die Kinder. Wenn sie etwas größer sind, bekommt jedes Kind sein eigenes Zimmer. Später können die Eltern Pia und Martin Zampietro-Thyssen im Erdgeschoss bequem und barrierefrei auf einer Ebene wohnen. „Ein sehr gelungenes Beispiel, dass preiswert zu bauen nicht bedeutet, dass die Raumqualität weniger gut sein muss“, sagt LBS-Gebietsleiter Daniel Wimmers.
Wie wichtig Wohnräume für unsere Lebensqualität sind, das zeigte sich gerade jetzt in der Pandemie, in der jeder viel Zeit zu Hause verbracht hat. Der diesjährige Bauherrenwettbewerb von Das Haus und LBS stand nicht nur deshalb unter dem Thema „Wohnen und Wohlfühlen“. Bei guter Gestaltung und hoher Funktionalität erleichtert uns das eigene Zuhause leben und arbeiten.
Und so sieht's in Kleve aus: Zum Video bitte hier klicken (MOV 14,296 MB)