Kündigung von Bausparverträgen – keine Willkür der Bausparkassen!
„Bausparkassen wollen Kunden loswerden“ – so oder ähnlich lauten viele Schlagzeilen der vergangenen Monate. Was steckt dahinter? Hier die Sichtweise der LBS West, die in Nordrhein-Westfalen und Bremen 2,1 Mio. Kunden mit 2,5 Mio. Bausparverträgen betreut.
Was ist das Ziel eines Bausparvertrages?
Ziel eines Bausparvertrages ist ein zinssicheres Darlehen für die eigenen vier Wände, nicht die Kapitalanlage. Denn Bausparen ist von seiner Grundidee ein „geschlossenes“ System, in dem Sparer anderen Bauwilligen ein Darlehen ermöglichen. Jeder Bausparer einer Bausparkasse ist Mitglied einer solchen Zweckspargemeinschaft, des so genannten "Kollektivs". Während die Sparer das für eine sichere Finanzierung notwendige Eigenkapital ansammeln, können diese Mittel als Darlehen an diejenigen ausgegeben werden, deren Vertrag bereits zugeteilt ist.
Damit alles gerecht zugeht, steuert die Bausparkasse den Vorgang nach festen Regeln. Sie wird zum Darlehensnehmer der Sparkunden und zum Darlehensgeber der Finanzierungskunden.
Wann dürfen Bausparkassen einen Bausparvertrag kündigen?
Eine Bausparkasse kann einen Bausparvertrag beispielsweise in folgenden gesetzlich geregelten Fällen kündigen: (1) bei vollständiger Besparung des Bausparvertrages oder (2) bei Kündigungen nach Ablauf von zehn Jahren nach der erstmaligen Zuteilungsreife des Bausparvertrages ohne Darlehensabruf.
(1) Bei "normalem" Ablauf des Bausparvertrages ist als Voraussetzung für die Zuteilung des Bausparvertrages u.a. vorgesehen, dass der Bausparvertrag bis zu einer Mindesthöhe angespart wird. Bei der LBS West sind das in der Regel 40 Prozent der Bausparsumme. Die übrigen 60 Prozent der Bausparsumme können dann als Darlehen an den Bausparer ausgezahlt werden. Ist der Bausparvertrag voll, d.h. in Höhe der gesamten Bausparsumme bespart, gibt es keine Darlehensmöglichkeit mehr für den Bausparer und der Bausparvertrag kann daher durch die Bausparkasse nach § 488 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches gekündigt werden.
(2) Aber auch, wenn die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages bereits seit mindestens zehn Jahren erfüllt sind und die Bausparsumme nicht abgerufen wurde, kann die Bausparkasse den Bausparvertrag unter den Voraussetzungen des § 489 Absatz 1 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches kündigen. Da die Bausparkasse während der Sparphase Darlehensnehmerin des Bausparers ist, kann sie dieses allen Darlehensnehmern zustehende Kündigungsrecht ausüben. Denn eine überlange Ansparung des Bausparvertrages entspricht nicht mehr dem Zweck des Bausparens, ein zinssicheres Bauspardarlehen zu erhalten. Die gesetzliche Kündigungsregelung hat zum Zweck, den jeweiligen Darlehensnehmer - in der Ansparphase des Bausparvertrages also die Bausparkasse, vor einer überlangen Bindung an vertraglich festgelegte Zinssätze zu schützen.
Allerdings kündigt die LBS West nie, ohne dem Kunden zuvor eine neue, finanzierungsorientierte Lösung anzubieten.
Wie sieht die aktuelle Rechtsprechung aus?
Die Oberlandesgerichte Hamm, Düsseldorf, Frankfurt, Celle, Koblenz, Köln und München erkennen ein gesetzliches Kündigungsrecht der Bausparkassen nach Ablauf von 10 Jahren ab Zuteilungsreife an. Es liegen mehr als 50 zu Gunsten der Bausparkassen ergangene Entscheidungen dieser Oberlandesgerichte vor. In gleicher Weise bestätigt die weit überwiegende Anzahl der Land- und Amtsgerichte die Wirksamkeit der auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützten der Bausparkassen. Hingegen haben das OLG Stuttgart, das OLG Karlsruhe und das OLG Bamberg in bisher insgesamt vier entschiedenen Fällen die auf § 489 I Nr. 2 BGB gestützten Kündigungen als unwirksam angesehen. Der Bundesgerichtshof hat dagegen in zwei Urteilen am 21.2.2017 letztinstanzlich die Kündigungen für rechtmäßig erklärt.
Das OLG Hamm hat in Verfahren der LBS West mit drei Urteilen vom 22.6.2016 bestätigt, dass es die Kündigung von Bausparverträgen nach Ablauf von 10 Jahren ab Zuteilungsreife auch unter Berücksichtigung der Auffassung des OLG Stuttgart als wirksam erachte. Das Kündigungsrecht der Bausparkasse aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB folge aus dem vertraglich vereinbarten und gesetzlich verankerten Zweck des Bausparvertrages (Az. 31 U 234/15, 31 U 271/15, 31 U 278/15). Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung ist Zweck eines Bausparvertrages nicht die dauerhafte zinsgünstige Anlage von Kapital, sondern die Erlangung eines zinssicheren Bauspardarlehens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.2016, Az. 6 U 124/16; OLG Celle, Urteil vom 14.09.2016, Az. 3 U 230/15). Das OLG Hamm führt in den Urteilen vom 22.6.2016 aus: "Es stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift, wollte man es dem Bausparer überlassen, beliebig den in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen 10-Jahres-Zeitraum durch die Nichtabnahme des Bauspardarlehens zu verlängern [...]. Der kollektive Systemzweck des Bausparens erfordert vielmehr eine Regelung, wonach die Bausparkasse vor zweckwidrigen, für die Bausparkasse unkündbaren festverzinslichen Kapitalanlagen geschützt wird. Allein so wird sie in die Lage versetzt, auch zukünftig nur nachrangig zu besichernde Bauspardarlehen mit stabilen Zinssätzen, die grundsätzlich unter dem allgemeinen Marktniveau liegen, anbieten zu können."
Weiter heißt es in den Urteilen: "Würde der Bausparvertrag auch nach Erreichen der erstmaligen Zuteilungsreife für die Bausparkasse unkündbar bleiben, würde das Zinsänderungsrisiko einseitig auf sie verlagert. Der Bausparer hingegen könnte weiterhin eine attraktive höhere Verzinsung in Anspruch nehmen, ohne dass er - was gemäß § 1 der hier einbezogenen Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge ausdrücklich Vertragszweck war - selbst ein Darlehen abruft und nach der Ansparphase eine entsprechende Gegenleistung in Form von grundsätzlich höheren Darlehenszinsen erbringt. [...] Die hieraus für die Bausparkassen folgenden Belastungen widersprechen den Interessen der Bauspargemeinschaft."